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Das unterschätzte Werkzeug im Straßenbau
»Derzeit hält sich die Nachfrage nach BIM im Straßenbau noch in Grenzen, da der Mehraufwand in der frühen Planungsphase meist noch abschreckt und die Vorteile im gesamten Bauprozess noch nicht gesehen werden«, erklärt Othmar, Zimmel, Leyrer + Graf.

Im Straßenbau spielt BIM eine untergeordnete Rolle, kommt fast ausschließlich bei Pilotprojekten zum Einsatz. Dabei wäre der zu erzielende Mehrwert groß und mit dem Hochbau vergleichbar. Doch fast ebenso groß scheinen die Hürden und Stolpersteine. 

Ein Rundruf bei den wichtigsten Vertretern der heimischen Bauindustrie zeichnet ein klares Bild. Building Information Modeling spielt im Straßenbau eine geringe bis keine Rolle. Für Clemens Neubauer, Abteilungsleiter BIM bei Porr Design & Engineering, liegen die Gründe dafür auf der Hand. »BIM erfordert für einen durchgängigen und effektiven Einsatz viele Veränderungen in der Ausschreibung der Abwicklungsmodelle für Straßenbauvorhaben. Die Vergabe von Planungs- und Bauleistungen der öffentlichen Hand sind ausschließlich an die geltenden Vergaberichtlinien und -gesetze gebunden, die derzeit für Modelle wie BIM noch nicht ausreichend gerüstet sind.« Auch die Planungsgrundlagen sind noch weit von standardisierten Planungsmodellen mit BIM entfernt.

Die konkrete Nachfrage der Auftraggeber hält sich in überschaubaren Grenzen. »Real sind derzeit nur vereinzelt Ausschreibungen mit BIM-Komponenten auf dem Markt. Die darin gegenständlichen BIM-Anforderungen sind zumeist nur optional«, weiß Jens Hoffmann, Head of BIM 5D® & GIS bei der Strabag. Einige Nachbarländer sind da schon weiter. In der Schweiz sowie in Tschechien werden laut Hoffmann bereits spürbar mehr Projekte mit konkreten BIM-Anforderungen von Seiten der Auftraggeber ausgeschrieben und bedient.

Fokus auf Piloten

In Österreich setzt man derzeit noch eher auf Pilotprojekte, was von der Industrie durchaus positiv aufgenommen wird. »Es ist erfreulich, dass es immer wieder Pilotprojekte gibt, bei denen man Erfahrungen sammeln und Wissen aufbauen kann«, sagt etwa Othmar Zimmel, Geschäftsführer Tiefbau bei Leyrer + Graf. Meist wird BIM im Rahmen dieser Pilotprojekte parallel zur gewohnten Vertragsabwicklung beauftragt. Diese Pilotprojekte sollen vor allem das Vertrauen in BIM stärken und zeigen, wie durch die praktische Umsetzung gängiger Anwendungsfälle gemeinsam Prozesse digitaler und somit auch transparenter abgewickelt werden können. »In den einschlägigen BIM-Arbeitskreisen erarbeiten wir aktuell mit den öffentlichen Auftraggebern, Planern und anderen Bauindustrieunternehmen einen BIM-Infrastruktur-Standard, der sicher auch zeitnah Eingang in zukünftige Ausschreibungen von Pilotprojekten finden wird«, sagt Hubert Wetschnig, CEO der Habau Group.

Unter Federführung der Asfinag wird gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern, Ziviltechnikern und Bauunternehmen ein Branchenstandard entwickelt, um mittelfristig den open-BIM Ansatz über den gesamten Bauwerkslebenszyklus von der Planung bis hin zum Bau und der Erhaltung sicherstellen zu können. »Mit unserer Asfinag Datenstruktur haben wir seit Beginn des Jahres eine gute Grundlage dafür geschaffen, die beispielsweise im Projekt A14/S16 Fahrstreifenerweiterung HASt Dalaas – Bludenz Ost bereits zur Anwendung kommt. Wir haben uns hierbei natürlich an der Logik des internationalen IFC Standards orientiert, um die Kompatibilität und Systemunabhängigkeit auch langfristig zu gewährleisten«, erklärt Asfinag-Geschäftsführer Andreas Fromm.

Unbestrittener Mehrwert

Einigkeit herrscht darüber, dass BIM auch im Tiefbau seine Stärken ausspielen kann. »Der Mehrwert, der sich aus der BIM-Arbeitsweise ergibt wie Planungsqualität, Kosten- und Terminsicherheit oder Informationstransparenz ist mittlerweile jedenfalls mit dem Hochbau vergleichbar. Dieser Mehrwert wird in Verbindung mit partnerschaftlichen Vertragsmodellen noch einmal gesteigert«, sagt Jens Hoffmann (siehe auch Kasten links).

Für Swietelsky CEO Karl Weidlinger ist BIM im Straßenbau »ein weiteres Instrument, das Vorteile für alle Beteiligten bringt – von der Planung und Ausschreibung über die Angebotsbearbeitung, Bauausführung und Abrechnung, Verbesserung der Kommunikation unter den Beteiligten bis hin zu Betrieb, Instandhaltung, Instandsetzung sowie Grunderneuerung«.

Der generelle Mehrwert von BIM liegt in der damit einhergehenden Digitalisierung der Bauprozesse. Klassische analoge Prozesse, wie beispielsweise die Bauabrechnung, Maschinensteuerung und Dokumentation können mit BIM in digitaler Form, modellbezogen abgewickelt werden. Für Clemens Neubauer sind die positiven Effekte, die BIM mit sich bringt, vielschichtig und für praktisch jeden Projektbeteiligten sowie über zahlreiche Projektebenen hinweg spürbar. »Transparente und klar formulierte Informationsanforderungen und daraus resultierende Datengrundlagen schaffen einerseits ein besseres Verständnis für die umzusetzenden Projekte und liefern gleichzeitig auch die Basis für abgeleitete Anwendungsfälle in der Nutzung.«

Die Ableitung von Massen aus Soll-Modellen in der Angebotsphase von Bauleistungen sowie der tatsächliche Vergleich mit den Ist-Massen in der Bauphase wäre einer von vielen Vorteilen, die eine durchgängige Anwendung von BIM auch im Straßenbau mit sich bringen würde.

Von einem erfolgreichen BIM-Straßenbauprojekt weiß Jens Hoffmann aus Deutschland zu berichten. Gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg hat die Strabag das Projekt BIM Straßenerhaltung, kurz BIM SE, gestartet. Ziel von BIM SE ist, die Kosten- und Terminsicherheit, also die Effizienz künftiger Straßensanierungsprojekte systematisch zu steigern. »Grundstein ist eine umfangreiche Bestandsanalyse via digitaler Vermessung unter Einsatz von Drohnen beziehungsweise eines Mobile Mapping Systems mit Laserscanner. Ein As-Built-Modell wird als Datengrundlage für künftige Sanierungsprojekte daraus bereitgestellt«, so Hoffmann. Konkret werden nach Fertigstellung der Bauprojekte sämtliche relevanten Informationen zu den neu eingebauten Asphaltschichten in einem As-Built-Modell gebündelt dargestellt, das als solide Datenbasis für fällige Erhaltungsmaßnahmen in der Zukunft von Straßenmeistereien und Vergabebehörden genutzt werden könne.

Offene Fragen und Stolpersteine

Auch wenn es erfolgreiche Pilotprojekte und Anwendungsfälle gibt, hat BIM im Straßenbau noch einige Stolpersteine vor sich. Als größte Hürden werden fehlende Erfahrungswerte und vor allem Standards gesehen. »Nur wenn der Auftraggeber, die Planer und die ausführenden Bauunternehmen dieselbe Sprache sprechen, sind auch die Rahmenbedingungen für einen durchgängigen Branchenstandard und eine digitale Zusammenarbeit über sämtliche Projektphasen gegeben«, sagt Wetschnig.

Außerdem müssen für BIM sehr viele Prozesse in der Planung, der Ausführung aber auch der Übergabe von Bestands- und Dokumentationsdaten durchgängig digitalisiert werden. »Derzeit läuft einfach noch vieles parallel, was die Vorteile von BIM natürlich schwer erkennen lässt«, sagt Clemens Neubauer. Darüber hinaus stellen sich laut Othmar Zimmel von Leyrer + Graf im Straßenbau einige Herausforderungen, die eine BIM-konforme Planung erschweren. »Dazu zählen etwa die Datenerhebung über den Baugrund, die oft sehr aufwendig ist und in vielen Fällen nicht in vollem Umfang analysiert werden kann.« 


Großes Interesse an Allianzmodell-Pilotprojekt

Aktuell laufen bei der Asfinag die Vorbereitungsarbeiten für das Pilotprojekt »S31 Sieggraben«. Vier Brücken sollen errichtet werden, abgewickelt wird das Projekt als Allianzmodell »Infrastruktur« (siehe auch Seite 24). Dabei handelt es sich um das gleiche Vertragsmodell, das schon beim Gemeinschaftskraftwerk Inn erfolgreich zum Einsatz kam. Geplant ist ein zweistufiges Verhandlungsverfahren, im Sommer startet die Präqualifikation. Im Herbst will die Asfinag mit den qualifizierten Unternehmen über Leistungs- und Vertragsinhalte verhandeln. Und das Interesse der Bauindustrie ist groß. Ob Strabag, Porr, Swietelsky, Habau oder Leyrer + Graf, sie alle stehen dem Allianzmodell positiv gegenüber und kündigen mehr oder weniger offen an, sich an einer allfälligen Ausschreibung beteiligen zu wollen.

So etwa Swietelsky CEO Karl Weidlinger, der schon beim Kraftwerksprojekt Kühtai der Tiwag positive Erfahrungen mit Allianzmodellen gesammelt hat. »Wir werden gerne teilnehmen. Partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Auftraggeber und -nehmer, gemeinsame Problemlösung, die faire Aufteilung von Chancen und Risiken, ein Bonus/Malus-System oder gemeinsame Konfliktlösungsmechanismen sind aus meiner Sicht entscheidende Vorteile von Allianzmodellen.«

Die Porr kündigt wie die Strabag und Leyrer + Graf ebenfalls eine Teilnahme an. »Weil wir überzeugt sind, dass mit partnerschaftlichen Modellen, ergänzt um BIM und Lean, gesamtheitliches Bauen und Planen und eine frühzeitige holistische Projektbetrachtung ermöglicht werden«, sagt Clemens Neubauer, Abteilungsleiter BIM Porr Design & Engineering. Und auch Hubert Wetschnig, CEO der Habau Group, ist von Allianzmodellen überzeugt. »Spätestens mit Ende der Angebotsphase herrscht Einvernehmen über die tatsächlich geschuldete Leistung. Sämtliche  zu diesem Zeitpunkt bekannte Risiken sind identifiziert, bewertet und den Risikosphären zugewiesen. Damit werden die Rahmenbedingungen für eine partnerschaftliche Projektabwicklung gemeinsam geschaffen.«

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